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DEM WEG ENTLANG von Maria Rosaria Cellio

DEM WEG ENTLANG

Maria Rosaria Del Ciello, 2015

 

Wir gingen im Gänsemarsch auf dem Weg, der aus dem Dorf führt. Ein Fussweg kaum erkennbar, fester Erdboden, schmal zwischen den hohen Brombeersträuchern, die im Sommer voller Früchte waren. Die warme Jahreszeit wirbelte beim Schreiten Staub auf, und unsere Haut wurde schwarz vor Erde und Sonne.

Und dann die Steine: grosse, kleine, glatte und spitzige. Beim vorsichtigen Vorwärtsgehen auf dem harten Boden konnte ich sie alle unter der Sohle der Schuhe spüren und ich versuchte nicht auszurutschen.

Lara ging ganz leicht vor mir hin, sie schien fast über dem Boden zu schweben. Die langen blonden Haare, in weichen Locken zusammengebunden, wogen sich nach links und nach rechts auf dem zarten Rücken. Ich beobachtete sie wie hypnotisiert. Ich hätte Stunden lang hinter ihr gehen können und wäre an das Ende der Welt gelangt, indem ich im gleichen Takt ihren sicheren Schritten folgte. Ich bewunderte die runden Linien ihrer kleinen Schultern und träumte davon ihre vollen Lippen zu küssen.

Pietro ging voraus mit schnellem und grossem Schritt, der Oberkörper aufrecht, der uns um ein paar Handbreiten überragte.

Ich war hinter ihnen, sprang eher etwas, um den Schritt zu halten, als aus der Stimmung und der Zusammensetzung heraus, die unser Verhältnis untereinander wiederspiegelte.

Pietro war einige Jahre älter als ich, überragte uns mit der Anmassung eines älteren Bruders, der immer den Vater spielen will.

Lara war zwischen uns, denn dort war ihr Platz, zwischen unseren Herzen. Wir waren alle in sie verliebt. Wir begannen, um sie zu streiten, als wir sie kommen sahen, damit sie uns bemerkte, und um ihr zu zeigen, wer von uns der stärkste war. Kinderspiele, die, wenn man daran denkt, zum Lachen sind, aber sie tun auch etwas weh.

Ich war bedacht, ihr meine Männlichkeit zu zeigen, aber die blauen Flecken auf den Armen und Beinen, manchmal auch im Gesicht, waren nichts anderes als der Spiegel der Spuren, die wir im Herzen trugen.

Jetzt gingen wir auf diesem Streifen Boden den Berg hinauf. Es gelang mir die Umrisse der Sonne zu sehen, ein roter Halbkreis, der langsam hinter dem Horizont unserer Gegend verschwand. Dieses langsame Schwächerwerden der Sonnenstrahlen liess mich an unser Alter denken, das sich mit gleicher Geschwindigkeit veränderte. Ich fühlte, dass ich den Glanz meiner Kindheit verloren hatte, um mich in ein reifes Alter hineinzubewegen, das mehr aus Schatten als aus Licht bestand. Keiner sprach davon, aber ich las in den Augen der anderen, dass sie das Gleiche fühlten. Um die Dunkelheit auszutreiben, die sich in unseren Seelen breit machte, stürzten wir uns Kopf voran in Jugendkämpfe. Einmal war es ein Wettstreit, wer als erster die uralte Eiche erreichte, ein anderes Mal war es, wer es am längsten in der versteckten Hütte am Rand des Waldes aushalten würde.

An jenem Tag drangen wir bis zu einem kleinen See vor, versteckt hinter Weiden und Eichen. Dort forderten wir uns heraus, wer am längsten unter Wasser bleiben konnte.

Auch dieses Mal habe ich verloren, wie immer in diesen Jugendkämpfen, aber ich verlor nie die Hoffnung Lara zu erobern.

Der Landweg wurde zu einer asphaltierten Strasse, die mich dahin brachte, wo ich jetzt bin. Mit mir ist eine Frau, die nicht Lara ist.

Ich springe noch immer herum auf den kleinen Wegen des Lebens und trage mit mir die Erinnerung der vergangenen Zeiten. Diese Zeiten bleiben in meinem Gedächtnis, wie auch die Farben der Erde und der Sonne.

Übersetzung: Luigi Bier & Astrid Schmidlin

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